Sorgegeschichte I.

„Ich sorge für eine Person“ – das heisst doch meistens: ich besuche ihn oder sie – ich besorge Essen oder sonst etwas zum Leben Nötiges – ich veranlasse unter Umständen einen Arztbesuch –  aber dass es auch viel einfacher – und doch nicht weniger wirkungsvoll geschehen kann, das habe ich  schon oft, zweimal aber auf besondere Weise, erlebt:

Ich wusste, dass eine meiner Freundinnen mit ihrer erwachsenen Tochter zusammenlebt, die wegen einer leichten psychischen Störung nur bedingt arbeitsfähig ist – ich hatte sie aber immer nur kurz gesehen – bis sich einmal, als ich auf meine Freundin wartete, die Gelegenheit zu einm kleinen Plausch ergab. Was wir da redeten, weiss ich nicht mehr – es war jedenfalls gelöst und lustíg – was ich gar nicht erwartet hatte.

Am nächsten Tag piepste mein handy: Anni – so will ich sie nennen – war dran! Ohne Umschweife -als ob wir einander schon lange kennen würden! – berichtete sie mir, was sie an diesem Tag getan hatte und  noch vorhatte – ich hatte natürlich keine Ahnung von ihrer Arbeit und ihrer Umgebung, aber ich versuchte freundlich zuzuhören und sagte ein paar nette Worte – das genügte ihr um sich nach kurzem Gespräch  zu verabschieden. Und von da an wurden diese Gespräche ein tägliches Ritual: immer nur kurz und oft mit denselben Worten – wodurch ich aber mit der Zeit ihre Tätigkeiten und Sorgen kennenlernte, auch ihre Ängste.

Was für Anni so hilfreich ist, weiß ich gar nicht – ich rede ja weniger als sie – aber sie sagt, dass sie ohne diese Gespräche „gar nimmer sein“ würde – und so ist das auch für mich ein Geschenk!